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Flugunfälle – Techn. Hintergrund
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Flugunfälle - Technischer Hintergrund

 • Malaysia Airlines, 08. März 2014
 • Die Luftfahrt und ihre Kabinenluft
 • Vulkanausbruch in Island
 • Air France, 01. Juni 2009
 • US-Airways, 22. Januar 2009
 Spanair, 20. August 2008
 • Qantas, 25. Juli 2008
 • Helios, 14. Aug. 2005
 • Air France, 02. Aug. 2005
 • Austrian Airlines, 05. Jan. 2004
  Concorde, 26. Juli 2000
 • Hapag Lloyd, 12. Juli 2000

B777 verschwunden, am 8. März 2014, auf dem Weg von Kuala Lumpur
nach Peking.

Ein zweistrahliges Passagierflugzeug vom Typ Boeing 777 (B7772H6ER), Kennzeichen 9M-MRO, Baujahr 2002, der Gesellschaft Malaysia Airlines, Flug MH370, war mit 227 Passagieren und zwölf Besatzungsmitgliedern auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking.

Der technische Hintergrund
Was sendet ein Verkehrsflugzeug während des Fluges?

© Jürgen Heermann

Das Flugzeug flog nach dem Start planmäßig in nord-nord-östlicher Richtung über die Halbinsel, erreichte den Golf von Thailand und eine Höhe von 35000 ft („FL350“, 10600 Meter) und hätte später das Festland von Vietnam erreichen sollen. Unweit des virtuellen Pflichtmeldepunktes IGARO, etwa 130 Kilometer von der Malaysischen Küste entfernt und etwa eine Stunden nach dem Start, verlor sich jedweder Kontakt mit dem Flugzeug. Dieser Bereich ist nicht Radarüberwacht. Das Flugzeug hatte den Erfassungsbereich des Radargerätes von Malaysia verlassen und wäre kurze Zeit später in den Bereich der Vietnamesischen Radarüberwachung gekommen. Die B777 wurde bisher nicht gefunden. Die Ursache ist nicht bekannt. Vermutungen sind reichlich geäußert worden. Es wird von verschiedenen Beobachtungen nach dem Zeitpunkt des Verschwindens von MH370 berichtet. Deren Wahrheitsgehalt ist jedoch nur schwer
nachprüfbar. Diese B777 hat, wie bei modernen Verkehrsflugzeugen allgemein üblich, folgende Einrichtungen, die Informationen an Bodenstellen geben können:

1.) Den Sprechfunk über Ultrakurzwellen für kurze Distanzen und über Kurzwellen für weitreichende Entfernungen.

2.) Einen Kommunikationsaustausch mit der eigenen Fluggesellschaft in Form des allgemein bekannten Fax über Ultrakurzwelle (ACARS - Automatic Communication Addressing and Reporting System).

3.) Ein Sekundärradar, das beim Eintreffen eines Radarstrahls Flughöhe, Geschwindigkeit und Flugrichtung mit einer individuellen Kennung aussendet.

4.) Das in Sekundenabständen erfolgte Aussenden von mehreren Daten, wie Kennung, Position, Höhe und Geschwindigkeit, allgemein gesendet über Dezimeterwellen, sein Name ADS-B (Automatic Dependent Surveillance - Broadcast). Diese Daten ersetzen teilweise den Sprechfunkverkehr. Bodenradargeräte wären überflüssig, hätten alle Flugzeuge ADS-B.

5.) Das in verschieden großen Abständen und im Normalfall automatische Aussenden von mehr als zwei Dutzend Daten der Triebwerke, wie Temperaturen, Drücke, Vibrationen, aber auch Außentemperatur, Geschwindigkeit und Flughöhe. Die Übertragung erfolgt über Ultrakurzwelle oder Satellit. Die Position des Flugzeugs wird nicht übermittelt.

Ultrakurzwellen-Übertragungen haben eine kaum höherer Reichweite als die Bodenradargeräte von etwa 250-350 Kilometer. Kurzwellen-Übertragungen reichen für den praktischen Gebrauch beliebig weit. Das Fliegen außerhalb einer Radarüberwachung ist bei einem Langstreckenflug üblich. Beim Fliegen über den Atlantik oder über den Pazifik ist Sprechfunk über Kurzwelle obligatorisch. Funksprechverkehr über Satelliten gehören noch zu den Ausnahmen.

Stand 14. März 2014, 18 Uhr, eine Woche nach dem Verschwinden des Flugzeugs.

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Landen auf dem Wasser (Ditching)
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Fliegen durch Vulkanasche

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Die Luftfahrt und ihre Kabinenluft
(Gedächtnisprotokoll eines Interviews mit Carsten Jens, Hessischer Rundfunk, HR-Info, 12. August 2010)

© Jürgen Heermann

Wieso kommt die Luft aus den Triebwerken, beim Auto kommt sie doch auch nicht aus dem Motor?
Seit Jahren ist es allgemeiner Stand der Technik, dass die in die Passagierkabine strömende Luft den Triebwerken entnommen wird. Bevor die vorne in ein solches Triebwerk einströmende Luft die Brennkammer erreicht, wird sie erst einmal kräftig zusammengedrückt. Der Teil nennt sich Kompressor. Der Physik sei dank, dass die Luft in diesem Kompressor nicht nur kräftig zusammengedrückt wird, sondern ihre Temperatur dabei auch noch stark ansteigt. Eine ideale Abnahmestelle für die Kabinenluft, wie es sie beim Automotor nicht gibt. Diese Luft wird zunächst noch dicht am Triebwerk vorgekühlt, gelangt dann durch dicke Rohre in die eigentliche Klimaanlage und die befindet sich unten unterm Flugzeugrumpf. Hier wird die Luft exakt auf die gewünschten Temperaturen eingestellt und kann sogar mit Hilfe der von ihr selbst angetriebenen sogenannten Turbinenkompressoren kühlere Luft erzeugen als die in der Flugzeugumgebung.

Was kann schief laufen?
Technisch erste Pflicht ist natürlich, das der Triebwerkskompressor ölfrei fördert. Das tut er so lange, wie die Lagerabdichtungen der Triebwerkswellen keine Öldämpfe durchlassen. Hier wird ein großer Aufwand getrieben. Die Lagerdichtungen sind berührungslos, also verschleißfrei und werden durch ein Luftlabyrinth dicht gehalten. Auch hier gilt ganz pragmatisch: Keine Technik ist absolut sicher und so können Schmieröldämpfe in die Atemluft gelangen.

Wie häufig gelangt Öl in die Atemluft?
Genau das ist die Frage der Gegenwart. Hersteller und Betreiber sagen „Selten!", andere sagen „Öfter!". Ich würde sagen, einmal ist zuviel. Doch bei der Diskussion sollte man schon bedenken: Gefahren werden immer nach der Häufigkeit beurteilt, nicht nach der Wahrscheinlichkeit. Wir haben 30.000 Verkehrsflugzeuge und allein über Deutschland fliegen täglich 8000.

Kennen Fluggesellschaften das Problem und warum haben sie nichts dagegen getan?
Wer kann diese Frage besser beantworten als die Fluggesellschaften selbst? Doch dann muss man unbedingt auch die Hersteller der Flugzeuge befragen. Vielleicht liegt hier ein Versäumnis der letzten Jahre vor und man hat nur an die Wahrscheinlichkeit des Falles gedacht, nicht aber an die Diskussion von heute.

Gibt es Alternativen? Bleibt man bei der Technik?
Zunächst mal 60 Jahre zurück. Bei den Triebwerksentwicklungen für Jetflugzeuge der 50er Jahre war die Fähigkeit, Luft ölfrei zu fördern noch nicht groß genug. Deshalb entschied man sich jahrelang für eine Lösung, bei der die aus dem Triebwerk entnommene Luft nur als Antrieb für eine separate Turbine genutzt wurde. Erst der von ihr angetriebene Kompressor stellte die Klimaluft bereit. Diese Technik hatte zum Beispiel das legendäre vierstrahlige Verkehrsflugzeug Boeing 707 (B707). Zukünftige Flugzeuge werden wiederum die Kabinenluft nicht den Triebwerkskompressoren entnehmen, sondern in einem eigenständigen System der Umgebungsluft. Der Dreamliner von Boeing (B787) fliegt bereits mit dieser Technik. Der zukünftige A350 wird folgen. Mag diese Technik die Wahrscheinlichkeit einer Kontaminierung der Luft mit Öldämpfen auch noch weiter reduzieren, das Leitmotiv zu dieser Technik war aber nach meiner Meinung nicht die jetzige Diskussion um etwaige Öldämpfe, sondern einzig, Gewicht und Aufwand zu reduzieren.

Anmerkung
Bei den Bestandteilen der Öldämpfe soll es sich um Beta-Naphtylamin und Trikresylphosphat handeln, letzteres auch TCP genannt. TCP ist eine Gruppe verschiedener Stoffe und sie gehören zu der Klasse der organischen Phosphate. Früher traf man TCP oft im Alltag an, zum Beispiel als Weichmacher für PVC.

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Vulkanausbruch in Island

Zum zweiten Mal innerhalb von vier Wochen brach der Vulkan unter dem isländischen Eyjafjalla-Gletscher aus. Es entstand eine Rauchfahne, die sich über Europa ausbreitete. Am 16. April 2010 schließlich wurde ein Großteil des europäischen Luftraums vorsorglich gesperrt und viele deutsche Flughäfen wurden geschlossen.

Der technische Hintergrund (Stand 07.Mai.2010)
Fliegen durch Vulkanasche

© Jürgen Heermann

Kann man die Aschewolken unter- oder Überfliegen?
Allgemein liegt die Obergrenze solcher Wolken über den von Verkehrsflugzeugen geflogenen Höhen und eine Verlegung des Luftverkehrs darunter wäre kaum möglich. Unter 3300 Meter Flughöhe ist für Verkehrsflugzeuge ein sicherer und ordnungsgemäßer Luftverkehr nicht durchführbar. Wenn wir überhaupt Aschewolken im Zusammenhang mit Luftverkehr erwähnen, sind wir gedanklich immer weit ab vom Vulkan als Verursacher und in solchen Entfernungen sind Aschewolken nur selten fest umrissen. Ihre Grenzen lassen sich also kaum feststellen und sind mit dem Auge nicht oder von anderen Wolken meist nicht zu unterscheiden. Das Bordradar zeigt sie nicht an, Es reflektiert nur an Wasser, Aschewolken aber sind trocken. Es bleibt nur die Vorsorge, also das Sperren des Luftraums in denen Vulkanasche vermutet wird.

Was passiert mit den Triebwerken, wenn man doch in diese Asche gerät?
Ob Vulkanasche die Funktion eines Triebwerks stören kann, hängt selbstverständlich von seiner Intensität ab. Der Begriff "reine Luft" ist immer ein Grad von Verunreinigung. Ohne feinste "Stückchen" in der Atmosphäre, sogenannte Aerosole, könnten sich keine Wolken bilden. Triebwerke sind tolerant gegen Staub und andere allgemein vorkommende Verunreinigungen. Sind diese permanent hoch, hat das keinen Einfluss auf die Sicherheit, wohl aber auf die Wirtschaftlichkeit. Ihr Überholintervall verkürzt sich. Grundsätzlich gilt dies auch für Vulkanasche, doch bei welcher Intensität und Einwirkzeit keine Schäden auftreten, ist bisher nicht sicher bekannt. Ist ihre Menge zu hoch, reagiert das Triebwerk unerfreulich. Es passiert zweifelsfrei vielfältiges, aber immer nichts Gutes. Die klebrige Asche bleibt teilweise an den Triebwerkschaufeln hängen. Dies führt alsbald zu einer Unwucht wie bei einem schlecht ausgewuchteten Autoreifen. Die dadurch entstehende Vibration ist im Cockpit zunächst nur messbar. Schreitet die Verunreinigung fort, wäre sie auch fühlbar. Jedoch würde man bei einem solchen sogenannten Trendsprung der Vibrationswerte den Motor vorsorglich bereits abgestellt haben.

Ein anderes Phänomen wäre schließlich die Zerstörung der Turbine. Die Turbine liegt direkt hinter der Brennkammer. Weil es dort mit weit über tausend Grad Celsius sehr warm ist, werden die Schaufeln der ersten Turbinenstufe mit einer kühlenden Schleierluft umhüllt. Dazu haben sie winzige kleine Löcher auf ihrer Oberfläche, aus denen kühle Luft quillt. Die Aschepartikel, die in Wirklichkeit eher Glaspartikel sind, schmelzen in der Brennkammer. Die dann sirupartige Masse klebt diese winzigen Löcher zu und es kommt unweigerlich zu einer Überhitzung der Schaufeln und zum Ausfall des Triebwerks.

Zuvor kann es aber bereits aus einem anderen Grund zum Triebwerkversagen kommen, weil sich Ascheteilchen im Kompressor festsetzen. Die Luftströmung durch das gesamte Triebwerk, ganz besonders durch den der Brennkammer vorgelagerten Kompressor ist sehr empfindlich gegen Formveränderungen. Jedwede Veränderung auch kleinsten Ausmaßes an den rotierenden Schaufeln (Laufschaufeln), sowie der ebenso vielen sich nicht drehenden Leitschaufeln, führen zu unerwünschten Luftverwirbelungen. Dabei kann es passieren, dass die hinten aus dem Kompressor heraus fließende Luftmenge kurzzeitig nicht mehr der Menge entspricht, die zur selben Zeit vorne hinein fließt. Laienhaft gesagt, der Kompressor verstopft, sein Schluckvermögen (technischer Begriff) lässt nach. Der Flieger nennt diesen Strömungsabriss Stall. Der kann sich akustisch heftig bemerkbar machen, dauert oft nur den Bruchteil einer Sekunde und verursacht wegen der momentan abrupten Schubänderung einen im ganzen Flugzeug spürbaren Ruck. Je nach Bauart und Heftigkeit kann die Folge sein, dass das Triebwerk danach nicht mehr oder nur noch bedingt betriebsfähig ist.

Dies sind nur zwei von mehreren Ereignissen, die Triebwerke beim Flug durch Vulkanasche betreffen können. Zuvor kann durch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren das Verbrennen des Kraftstoffs in der Brennkammer unterbrochen werden, salopp gesagt: das Triebwerk geht aus, und schließlich alle sich am Flugzeug befindenden. Bei solchen Vorfällen in der Vergangenheit konnten die Triebwerke in niedrigeren Höhen wieder gestartet werden.

Was geschieht mit dem Flugzeug selbst?
Diese Aschepartikel, die eher Glas (siehe oben) in schmieriger Pulverform sind, wirken auf Flugzeuge wie industrielles Sandstrahlen. Sie werden abgeschmirgelt. Die Cockpitscheiben werden rau. Dazu bekommen sie einen schmierigen Belag. Die Sicht kann sich bis zur Blindheit einschränken, Messfühler verstopfen, die primären Fahrtanzeiger sind zuerst betroffen. Durch die Tankentlüftungen kommen Aschepartikel in Tank und Kraftstoff. Die technisch aufwendige Klimaanlage wird schwer verunreinigt. Eventuell anfänglich vermuteter Zigarettenqualm kann von Schwefelgeruch abgelöst werden. Die Flugzeugkabine kann vernebeln. Messfühler in den Frachträumen werden irritiert und melden Feueralarm. Ein Blitzschlag ist wahrscheinlich. Einzig völlig harmlos: Auf den Cockpitscheiben entsteht Elmsfeuer. Das sind kleine stetig züngelnde Blitze, wie sie die alten Seefahrer in Gewitternähe an ihrer Mastspitze beobachteten.

Die Luftfahrt lernt aus der Vergangenheit. Bekannte Ereignisse dieser Art sind zum Glück durch hohe Professionalität der Crew ohne das Beklagen von Menschenleben zu Ende gegangen. Dabei fielen jeweils sämtliche Triebwerke aus, die später wieder in Betrieb genommen werden konnten. Der Sachschaden aber war groß, an einem der beteiligten Flugzeuge 80 Millionen US-Dollar.

Wer bestimmt das Flugverbot?
Die DFS (Deutsche Flugsicherung) bestimmt für Deutschland, welche Lufträume geschlossen oder bedingt freigegeben werden. Gründe für eine Einschränkung sind mannigfaltig. Verkehrsflughäfen sind immer mit ihnen umgeben. Erstmalig betreffen sie ein großes Gebiet wegen Vulkanasche. Die DFS sieht dort für Verkehrsflugzeuge eine Gefährdung. Dazu bezieht sie Informationen von der Flugwetterberatung vom Deutschen Wetterdienst (DWD), der sich wiederum auf Informationen aus London stützt (Vulcanic Ash Advisory Centre). Dort bedient man sich hauptsächlich Computersimulationen.

Nun kann man zurecht fragen, ob die rein theoretische Simulationen und die daraus erfolgten Schlussfolgerungen richtig sind und ob nicht eine sofortige praktische Bestätigungen mit Hilfe von besonderen Wetterballonen und Messflügen durch ein speziell dafür ausgerüstetes Flugzeug hätte erfolgen müssen. Die mit einer Ausnahmegenehmigung erfolgten störungsfreien innerdeutschen Überführungsflüge in unüblich niedriger Höhe sind zur Bestätigung der Ungefährlichkeit entgegen den Äußerungen der beteiligten Luftfahrtunternehmen nicht geeignet, das Flugverbot aufzuheben. Wohl sind sie aber ganz besonders geeignet, das nur auf theoretischer Grundlage erfolgte Flugverbot durch den zwingend notwendigen praktischen Nachweis infrage zu stellen. Nur der praktische Nachweis würde den in der Luftfahrt strikt durchgeführten Prinzipien gerecht. So kommt seit nahezu sechzig Jahren kein Flugzeug mehr in den Handel, dessen baugleiche Einzelteile nicht vorher so oft hin und her gebogen wurden, wie im ganzen Flugzeugleben je zu erwarten ist. Der Gesetzgeber will bei der Zulassung keine theoretischen Festigkeitsberechnungen sehen, er will den praktischen Nachweis. Dazu ist es für die Flugzeughersteller oft sehr schwer aber unabdingbar, beispielsweise einen Start oder eine Landung bei -55°C oder bei +55°C vorzuführen.

Fliegen unter 3300 Meter - Eine kritische Anmerkung
Bis zu einer Höhe von 3300 Meter (10.000 ft) tummelt sich die allgemeine Luftfahrt. Dort darf fast jeder nach Belieben herumfliegen. Die meisten dieser Flugzeuge sind das, was der Laie (einmotoriges) Sportflugzeug nennt. Es gilt das Prinzip "Sehen und gesehen werden". Deshalb dürfen Wolken nicht durchflogen werden. Sie müssen im respektvollen (genau definierten) Abstand umkreist werden. Wenn große Verkehrsflugzeuge starten und landen, fliegen sie selbstverständlich für kurze Zeit durch diese Höhen. Diese Gebiete, die sie nach dem Start und vor der Landung durchfliegen, sind aus Sicherheitsgründen für die allgemeine Luftfahrt gesperrt. Um auch ein Restrisiko noch zu reduzieren, ist es weltweit üblich, dass die "Großen" in diesen Höhen ihre Landescheinwerfer einschalten. Resümee meiner Ausführung: Verkehrsflugzeuge sollten Gebiete der allgemeinen Luftfahrt meiden. Ihr Durchfliegen entspricht nicht Ihrem sonstigen hohen Sicherheitsstandard. Die Erlaubnis von Verkehrsminister Dr. Peter Ramsauers zum Fliegen unter 3300 Meter und seine Aussage "Absolute Sicherheit hat Priorität" können gegensätzlicher nicht sein.

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Blitzschlag
Der Fahrtmesser

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A330 abgestürzt auf dem Weg von Rio de Janeiro nach Paris

Ein zweistrahliges Passagierflugzeug vom Typ Airbus A330-200, Kennzeichen F-GZCP, Baujahr 2005, der Gesellschaft Air France, Flug AF447, war mit 216 Passagieren und zwölf Besatzungsmitgliedern auf dem Weg von Rio de Janeiro nach Paris. Drei bis vier Stunden nach dem Start brach Nahe der brasilianischen Inselgruppe Fernando de Noronha die Verbindung ab. Vermutete Ursache Blitzeinschlag.

Der technische Hintergrund
Blitzschlag
(mehr hier)

© Jürgen Heermann

Durch einen Blitzschlag fällt kein Flugzeug vom Himmel. Wer da noch ein Restrisiko sieht, aber sonst seine immer währende Lebensgefahr gleichmäßig verteilt, muss sich auch jedes Mal beim Überqueren einer Brücke fragen, ob sie nicht gerade jetzt zusammenfällt.

Mag diese Erklärung bei der Schwere des Geschehens auch nüchtern klingeln, so wären alle anderen Antworten beim jetzigen Kenntnisstand höchst unwahrscheinlich.
(verfasst 01. Juni 2009).

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Vermutungen werden lauter, dass eine fehlerhafte Geschwindigkeitsmessung den Absturz verursacht haben könne.

Der technische Hintergrund
Die Fahrtmesser

© Jürgen Heermann

Der Verlust eines Fahrtmessers hindert nicht, einen Flug zum Ziel fortzusetzen. Drei Fahrtmesser messen unabhängig voneinander eine für die Steuerung des Flugzeugs wichtigste Geschwindigkeit (indicated air speed - IAS). Messfühler (pitot tubes), Drucksensoren, Anzeigen und die Stromversorgungen sind getrennt. Auch nach Abschalten aller Generatoren ist ein Fahrtmesser noch funktionstüchtig. Erst ein sehr unwahrscheinlicher Ausfall aller drei Geräte führt zu einem schwerwiegenden Mangel für die Flugdurchführung. Dazu gibt es aber ein erklärtes Verfahren, wie man in diesem Fall vorgeht. Man hält den für jedes Gewicht und jede Flughöhe typischen Anstellwinkel bei. Der Anstellwinkel gibt an, wie weit die Nase des Flugzeugs angehoben ist.

Meine persönliche Einschätzung lässt diesen Fall nur unter ganz besonderen Konstellationen zu.
Möglichkeit 1:
Bei Ausfall der Hauptstromversorgung werden die Messfühler nicht beheizt. Fliegt das Flugzeug jetzt unter Vereisungsbedingungen, können die Messfühler durch Verstopfen ausfallen.
Möglichkeit 2:
Bei Verlust der Kunststoffnase, zum Beispiel durch selten schweren Hagelschlag, wird die Luftströmung um den Flugzeugrumpf herum stark verwirbelt und führt so zu Irritationen der Messfühler. Alle drei Anzeigen wären nicht verwertbar.
(verfasst 09. Juni 2009)

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Eisverhütung bei Verkehrsflugzeugen.

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Außenlandung A320 am 15. Januar 2009 auf dem Hudson River in New York

Ein zweistrahliges Passagierflugzeug vom Typ Airbus A320 der Gesellschaft US-Airways, Flug 1549, startete von einem der New Yorker-Großflughäfen La Guardia zu einem zweistündigen Flug nach Charlotte im Bundesstaat North Carolina. Kurz nach dem Start in etwa 1500 Meter Höhe stießen beide Triebwerke mit Vögel zusammen und fielen bleibend aus. Mangels Alternativen entschloss sich die Cockpitcrew, das Flugzeug auf dem Fluss Hudson, nahe dem Westufer von Manhattan, aufzusetzen. Alle 150 Passagiere und 5 Besatzungsmitglieder überlebten.

Der technische Hintergrund
Landen auf dem Wasser (Ditching)

© Jürgen Heermann

Wird mit zwingendem Vorsatz ein Flug nicht auf einer Landebahn beendet, so ist dieses Manöver für ein Verkehrsflugzeug mit großer Gefahr verbunden. Landet es auf Wasser, ist die Gefahr für Mensch und Maschine besonders hoch.

Eine Notwasserung ist in jedem Fall nicht unkompliziert. Ihr Gelingen hängt wesentlich vom Wellengang des Wassers ab. Das Flugzeug muss parallel zur Wasseroberfläche aufsetzen. Die Geschwindigkeit beträgt über 200 km/h, im allgemeinen um 250, kann aber auch über 300 km/h liegen. Bei so einem Tempo ist der Widerstand des Wassers höher, als wir uns das vom Alltagsgeschehen her ableiten. Eine abrupte Abbremsung des Flugzeugs ist unvermeidbar. Herausragende Flugzeugteile, wie Start- und Landeklappen, werden überbeansprucht und die Triebwerke können abgetrennt werden. Die Konstruktion der Triebwerksbefestigung berücksichtigt diesen Fall. Sie soll sicherstellen, dass dabei die Tragfläche, und damit die Tanks, nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.

Das Manöver der unmittelbaren Wasserung stellt an den das Flugzeug fliegenden Piloten ein besonderes handwerkliches Geschick voraus. Diesem spektakulären Augenblick sind aber viele wichtige Verfahrensschritte vorausgegangen, die ebenfalls einer Würdigung bedürfen. Sie sind festgelegt, werden im Simulator geübt und sind Teil der umfangreichen, aber stillen Kenntnis einer Crew, hier auch der Kabinencrew.

Dem Entschluss zu einer Wasserung geht voraus, dass alle anderen Lösungen ausgeschlossen wurden. Sie sind oft nicht einfach zu beurteilen und müssen bei geringer Flughöhe, wie im vorliegenden Fall, unter hohem Zeitdruck geschehen. Alle Möglichkeiten, die Triebwerke wieder leistungsfähig zu machen, müssen zuvor ausgeschöpft sein (lesen Sie: Ein Triebwerk darf immer ausfallen!). Umliegende Landeplätze wurden auf ihre Höhe und Entfernung hin geprüft. Passagiere und Flugsicherung werden informiert, der Standort und das Vorhaben durchgegeben. Das Flugzeug wird nun technisch vorbereitet, das Fahrwerk sollte eingefahren sein und die Start- und Landeklappen typabhängig in eine mittlere Landestellung gebracht werden. Die Rollenverteilung im modernen Zweimann-Cockpit fordert hier eine höhere Belastung der Piloten als in den älteren Dreimann-Cockpits mit Flugingenieur.

Kommt das Flugzeug im Wasser zum Stillstand, schwimmt es für die Evakuierung ausreichend lange. Da Schäden am Unterbauch des Rumpfes durch den schnellen Kontakt mit dem Wasser nahezu unvermeidbar sind, muss das dadurch in die Frachträume eindringende Wasser gehindert werden, über die sich im Kabinenfussboden befindlichen Lüftungsschlitze, in die Passagierkabine zu gelangen. Eine der technischen Möglichkeiten sind aufschwimmende Styroporbälle, die diese Luftöffnungen verschließen.

Noch eine Information zu den Triebwerken: Sie werden auf ihr Verhalten bei Vogelschlag getestet. Tiergewicht, Auftreffgeschwindigkeit, Auftreffpunkt und Drehzahl des Triebwerks sind hier von Bedeutung. Vogelschlag ist selten, verursacht oft keine Leistungseinbußen und ist oft Sekunden danach in der Kabine als Brathähnchengeruch wahrnehmbar, weil die Belüftung sich der Triebwerksluft bedient.

Eine Antwort zu einem oft gestellten Vorschlag gegen Vogelschlag: Gitter vor Triebwerken müssten eine Dimensionierung über das Machbare hinaus haben. Deshalb scheiden sie als Sicherung aus.

Mein ganz persönliches Fazit: Der gesamten Besatzung in Cockpit und Kabine gebührt ein Riesenlob. Sie haben ihre Arbeit sehr gut gemacht. Helden müssen sie dafür aber nicht sein. Ein Held vollbringt kühne Taten. Kühnheit ist in der Verkehrsfliegerei nicht das Resultat einer guten Ausbildung.

Wie ein Flugzeug startet und landet lesen Sie ausführlich im Buch "Warum sie oben bleiben"

Unter "Fragen und Antworten FAQ" lesen Sie auch dies:

Ein Triebwerk darf immer ausfallen!
Wie startet ein Flugzeug?
Wie ist das denn nun mit der Luft an Bord?
Wie funktioniert ein Strahltriebwerk?
Was ist ein Simulator?
Wer macht eigentlich was im Cockpit?
Wie ist das denn nun mit dem Flugschreiber?
Wie fliegt ein großes Verkehrsflugzeug?

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Unfall Spanair, MD82, Flug JK 5022, Madrid, am 20. August 2008

Eine zweistrahlige Passagiermaschine der Spanair, vom Typ MD82, hob nach dem Start auf dem Madrider Flughafen Barajas nur kurz ab und berührte noch querab der Startbahn wieder den Boden. Viele Opfer sind zu beklagen.

Noch ist der Sachverhalt, den die einige hundert Datenströme des Flugschreibers höchstwahrscheinlich geben werden, nicht bekannt. Doch fand man an einem der zwei Triebwerke den Schubumkehrer in aktiver Stellung. Dies ist allerdings kein sicheres Zeichen, dass er bereits im Flug offen war.

Der technische Hintergrund
Schubumkehrer

© Jürgen Heermann

Ein Versehen der Cockpitcrew kommt für diesen Zustand nicht infrage. Um den Umkehrschub auszulösen, müsste ein spezieller Hebel betätigt werden. Das ist in einer Startphase ausgeschlossen. Darüber hinaus, solange die Gashebel für den Start nach vorne geschoben sind, lässt sich der Hebel nicht bewegen.

Auch wenn gilt: Mit einem letzten Rest an Wahrscheinlichkeit ist kein technischer Defekt ausgeschlossen, so trifft diese Feststellung für das Öffnen eines Schubumkehrers auf Grund eines technischen Regelfehlers nur noch bedingt zu. Nach dem Lauda-Air-Unfall (B767, Thailand 1991) wurde weltweit in alle Verkehrsflugzeuge eine vierte Sicherung eingebaut, die die Wahrscheinlichkeit eines Öffnens der Schubumkehren im Flug noch kleiner werden ließ.

Jeder Start wird zuvor leistungsmäßig berechnet. Dabei wird immer unterstellt, dass im ungünstigsten Moment ein Triebwerk ausfällt. (siehe auch "Wie startet ein Flugzeug?") Jedoch ein sich öffnender Schubumkehrer würde zunächst insgesamt mehr Leistungsverlust erbringen, als ein ausgefallenes Triebwerk.

Für dieses letzte sehr kleine Restrisiko, wenn es denn doch geschieht, ist die Cockpitcrew geschult. Das Verfahren heißt „Schubumkehr im Flug“.

Das Flugzeug hatte das Kennzeichen EC-HFP. Sein Erstflug war am 01.11.1993

Wie ein Flugzeug startet und landet lesen Sie ausführlich im Buch "Warum sie oben bleiben"

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Zusatzinformation Spanair, Start mit einem defekten Schubumkehrer

© Jürgen Heermann

Im fliegerischen Alltag werden die Schubumkehrer nach der Landung aktiviert. Hat das Flugzeug aufgesetzt, öffnet der das Flugzeug steuernde Pilot von Hand alle Schubumkehrer. An jedem der Triebwerke wird die bis dahin nach hinten ausströmende Luft nach schräg vorne umgeleitet. Dazu verschließen große Klappen die Auslasskanäle (bei Triebwerken neuerer Bauart nur den Fankanal). Die sich gleichzeitig öffnenden Umlenkgitter leiten den Strahl nach schräg vorne. Es entsteht Schubumkehr, allerdings mit deutlich weniger Kraft, als ein möglicher Vorwärtsschub. Die Schubumkehr mindert den Verschleiß der Radbremsen, sie spart Bremsscheiben. Ihre Betätigung ist unter allgemeinen Wetterbedingungen rein wirtschaftlicher Natur. Sie geht nicht in Leistungsdaten für eine Landung ein. Die Landung wäre auch ohne Schubumkehrer sicher.

Vor jedem (!) Start eines Verkehrsflugzeugs wird unter anderem ausgerechnet, ob die Startbahn für einen eventuellen Startabbruch die nötige Länge hat. In diese Berechnung gehen die Kräfte der Bremsen ein, jedoch unter allgemeinen Wetterbedingungen nicht die zusätzliche Wirkung der Schubumkehrer.

Seltene Wetterbedingungen, wie zum Beispiel eine vereiste Start- oder Landebahn erfordern die rechnerische Einbeziehung der Schubumkehrer. Hat ein Flugzeug einen defekten Schubumkehrer, darf es unter bestimmten Umständen bis zur Reparatur noch einen oder mehrere Flüge durchführen. Allerdings nur, wenn diese seltenen Wetterbedingungen beim Start nicht herrschen und für die spätere Landung nicht zu erwarten sind.

Eine Forderung jedoch stellt das Fliegen mit einem nicht verwendbaren Schubumkehrer: Seine Aktivierung, aus welchem Grund auch immer, muss völlig ausgeschlossen sein. Dazu wird er mit Schrauben an den dafür vorgesehenen Stellen gesichert. Keine Kraft in einem Flugzeug kann diese Befestigung überdrücken.

Wie ein Flugzeug startet und landet lesen Sie ausführlich im Buch "Warum sie oben bleiben"

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Zusatzinformation Spanair, Start ohne Startklappen

© Jürgen Heermann

Medien berichten, dass der Pilot beim Start möglicherweise vergessen hat, die Startklappen auszufahren. Dazu eine technische Erläuterung, doch zuvor eine zu der allgemein von den Medien gemachten Aussage „der Pilot hat …“. Ob im Dreimann-Cockpit der älteren Verkehrsflugzeuge oder in einem modernen Zweimann-Cockpit, es gibt keine Handlung, ja nicht einmal einen Vorgedanken zu einer Handlung, die nur Sache eines einzelnen Cockpitmitglieds wäre. Alles wird gemeinsam besprochen und gemeinsam durchgeführt. Ob tagtägliche Routinevorgänge oder seltene Abnormalitäten, ihre Arbeitsabläufe beziehen alle Cockpitmitarbeiter ein. Dass zur Einhaltung der minutiös formulierten Verfahren auch eine Portion Disziplin gehört, wird in gesetzlich vorgeschriebenen jährlichen Seminaren geübt (Cockpit Resource Management – CRM).

Lesen Sie „Der Copilot ist ein voll ausgebildeter Flugzeugführer

Der Auftrieb eines Flugzeugs lässt sich auf dreierlei Weise vergrößern: Durch größere Tragflächen, durch schnelleres Fliegen oder durch einen größeren Anstellwinkel, dass heißt, das Flugzeug muss die Nase hochheben. Da das Flugzeug beim Start möglichst langsam fliegen soll, bleibt nur: Die Tragfläche vergrößern und das Flugzeug schräger stellen. Dazu hat der Konstrukteur vorne und hinten an den Tragflächen ausfahrbare Klappen vorgesehen. Vorne sind es kleine Klappen, die sind genauso wichtig wie die hinteren großen Klappen. Vorne heißen sie Slats und hinten Flaps. Diese Startklappen, dieselben dienen später als Landeklappen, vergrößern die Tragflächen so weit, dass das Flugzeug mit relativ niedriger Geschwindigkeit abheben kann. Eine typische Abhebgeschwindigkeit eines Jumbos, der Boeing 747, mit mittlerem Abhebgewicht (zum Beispiel für die Strecke Frankfurt – New York) ist 295 Kilometer pro Stunde.

Die Klappen werden in Startstellung gebracht, während das Flugzeug zur Startbahn rollt (taxiing). Danach zeigen Signallampen und Analoganzeigen exakt die ausgewählte Startstellung der Klappen. In der anschließend laut vorgelesenen Checkliste wird dies von jedem Cockpitmitglied durch nochmaligen Blick auf die Anzeigen bestätigt. Werden zu Beginn des Startlaufs die Schubhebel nach vorne geschoben, überprüft ein System die Klappen, ob sie sich innerhalb des erlaubten Bereichs für einen Start befinden. Sind sie es nicht, ertönt eine laute Warnung. Ist alles im „grünen Bereich“ wird sogleich danach diese mögliche Warnung ausgeschaltet. Somit kann sie, zum Beispiel durch Erschütterungen beim Startlauf, keine Fehlwarnung abgeben.

Sollten nun beim Unfall der Spanair die Startklappen nicht in der richtigen Stellung gewesen sein, müssten nach allgemeiner Praxis nicht zwei Fehler, wie die Medien berichteten, sondern drei das Unglück verursacht haben: Klappen nicht gesetzt, Checkliste nicht oder fehlerhaft gelesen, Take-Off-Warnung inoperativ.

Fazit: Wahrscheinlich ist alles – aber das Unwahrscheinliche liegt näher.

Wie ein Flugzeug startet und landet lesen Sie ausführlich im Buch "Warum sie oben bleiben"

Unter "Fragen und Antworten FAQ" lesen Sie auch dies:
Wie startet ein Flugzeug?
Wie funktioniert ein Strahltriebwerk?
Wie fliegt ein großes Verkehrsflugzeug?
Wie bremst ein Flugzeug nach der Landung?
Wie alt wird ein Flugzeug?


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Unfall Qantas, Boeing 747-400, am 25. Juli 2008

Die Boeing 747-400 (genaue Typenbezeichnung B747-438) befand sich in Reiseflughöhe auf einem planmäßigen Flug von Hongkong nach Melbourne, Australien. Plötzlich gab es einen rapiden Luftdruckverlust und die Passagiersauerstoffmasken fielen herunter. Das Flugzeug verließ kontrolliert seine Flughöhe und sank schnell auf 10000 Feet Höhe, etwa 3300 Meter, bei der das Atmen ohne Sauerstoffmaske möglich ist. Der nächsterreichbare Flughafen war Manila. Dort landete das Flugzeug und rollte zu einer Aussteigeposition. Sicherlich ein Moment der Erleichterung für die Passagiere, die verständlicherweise eine scheinbar endlose Zeit auch das Gefühl von Angst hatten. Doch wie läuft so ein Ereignis im Cockpit ab?

Der technische Hintergrund
Druckverlust in der Kabine

© Jürgen Heermann

Als Profi ist man geneigt zu antworten: Wie immer! Obwohl fachlich richtig, bedarf diese Feststellung einer Erläuterung. Ein Luftdruckverlust im Flugzeug kommt äußerst selten vor, so selten, wie die Vielzahl anderer Abnormalitäten. Um all diesen Seltenheiten fachlich richtig zu begegnen, werden sie von der Cockpitcrew regelmäßig im Simulator geübt – und zu jeder Zeit erwartet. Dies geschieht nicht, indem die Piloten diese Kenntnisse in ihrem tiefen Inneren verstauen, sondern man fordert hierzu eine Erwartungshaltung. So wird beispielsweise vor jedem (!) Start im Cockpit laut angesagt, was gemeinsam im Falle eines Triebwerkausfalls bezüglich der Besonderheiten dieser einen Startbahn auf diesem einen Flughafen zu beachten ist.

Im Fall Qantas nennt man die Abnormalität „Rapider Druckverlust“ und die läuft so ab: Das Flugzeug befindet sich im Reiseflug. Die Luft außerhalb des Flugzeugs hat im Mittel -56°Celsius und der Luftdruck beträgt nur noch ein Viertel bis ein Fünftel von dem am Erdboden. Nicht genug, um einen Menschen am Leben zu halten. Deshalb steht der Flugzeugrumpf unter Druck, selbstverständlich auch die Frachträume. Alles ist gut geheizt. Die Cockpitcrew ist mit Routineaufgaben beschäftigt. Nun zeigen Instrumente im Cockpit einen Verlust des Kabinendrucks, und wegen der hier hohen Änderungsrate signalisieren das auch alle Ohren. In der Passgierkabine fallen die Sauerstoffmasken aus ihren Kästen. Sie sind einsatzbereit, sobald der Passagier sie zu sich heranzieht. Erste Maßnahme im Cockpit: Sauerstoffmasken aufsetzen und die Kommunikation sicherstellen. Diese Vollmasken sind immer verfügbar, zu jeder Zeit einsatzbereit und leicht zu erreichen. Nun wird die Abnormalität benannt und mit Hilfe verschiedener Prüfungen festgelegt, welches Verfahren angewandt wird. Wegen des rapiden Druckabfalls ist ein schneller Abstieg auf eine sichere Flughöhe von 10000 Feet (3300 Meter) erforderlich. Diese Maßnahme ist begleitet von einer Vielzahl notwendiger technischer und administrativer Schritte.

Der Kraftstoffverbrauch ist in der niedrigen Höhe von 10000 Feet deutlich höher und somit sinkt die mögliche Reichweite des Flugzeugs. Doch schon die Flugplanung sah vor, dass nach solch einem Ereignis immer ein sicherer Flughafen erreicht werden muss. Hier war Manila das Ziel. Anflug und Landung weichen hier nicht wesentlich von der Normalität ab.

Erst später, nach dem Aussteigen konnte die Besatzung die Ursache sehen. Der Rumpf hatte rechts vor der Tragflächenwurzel in Höhe des vorderen Frachtraums ein Loch von etwa einem Meter Durchmesser. An dieser Stelle ist der Rumpf verkleidet, um eine bessere Aerodynamik zu haben. Dieses im Verhältnis zum Loch im Rumpf wesentlich größer Verkleidungsstück war verloren gegangen.

Das Flugzeug hat das Kennzeichen VH-OJK und es wurde in Dienst gestellt am 17. Juni 1991.

Lesen Sie aus dem Buch "Warum sie oben bleiben" das Kapitel "Der Kabinendruck wird abgesenkt".

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Wie ist das denn nun mit der Luft an Bord?
Wie alt wird ein Flugzeug?


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Unfall Helios, Flug HCY 522, am 14. August 2005

Am 14.August 2005 stürzte eine Boeing B737 (Version B737-300) auf dem geplanten Flug von Larnaca nach Athen in der Nähe von Athen ab. Es gab keine Überlebenden.

Der technische Hintergrund
Die Luft an Bord

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Die Luftversorgung im Flugzeug wird durch eine Klimaanlage (air conditioning) sichergestellt. Diese, in der B737 doppelt vorhandene Anlage, kühlt oder wärmt den gesamten Bereich der Druckkabine. Druckbeaufschlagt ist die Passagierkabine, das Cockpit und die unter dem Flugzeugboden befindlichen Frachträume. Die Abluft der Klimaanlage strömt aus einem im hinteren Rumpf befindlichen Ventilöffnungen ins Freie. Dieses Auslassventil (outflow valve) reguliert den Luftdruck im Flugzeug durch sensibles Verändern seiner Öffnungsgröße.

Siehe Buch (Neuausgabe 2012) „Warum sie oben bleiben“ mit den Kapiteln:
Seite 69: Eine Anlage für warm und kalt.
Seite 71: Die Wärme ist nur ein Produkt des Luftdrucks.
Seite 193: Zur Behaglichkeit gehört genügend relative Feuchte.
Seite 195: Zum Kühlen am Boden zieht die Klimaanlage alle Register.
Seite 196: Ein Adelstitel für die Kühlung.

Die Klimaanlagen beziehen ihre Luft aus den Kompressoren der Triebwerke. Das linke Triebwerk (engine 1) versorgt die Anlage 1 (pack 1), das rechte Triebwerk die Anlage 2 (engine2, pack 2). Eine Anlage allein kann den Druck und die Temperatur im Flugzeug aufrechterhalten.

Mit steigendem Flugzeug wird der Luftdruck im Rumpf langsam abgesenkt. Dabei bleibt er unter dem Wert eines 2100 Meter hohen Berg, erreicht also nicht den niedrigen Luftdruck der Zugspitze (siehe „Warum sie oben bleiben“, Seite 21: „Der Kabinendruck wird abgesenkt“).

Ein Druckverlust im Flugzeug während des Fluges ist äußerst selten. Es gibt zwei Hauptgründe dafür. Die Luftversorgung wurde unterbrochen oder ihr Druck falsch geregelt oder aber der Rumpf bekommt eine Öffnung. Im ersten Fall sinkt der Druck langsam ab. Im zweiten Fall wird schlagartig Außendruck erreicht und durch die spontane Entspannung der Luft entsteht sofort Kälte und Nebel.

In beiden Fällen wird ein sofortiger Sinkflug eingeleitet (emergency descent). Jedes Cockpitmitglied trägt dabei eine Sauerstoffmaske. Der Sauerstoff ist zu jeder Zeit verfügbar und kommt aus einer im Flugzeug eingebauten Sauerstoffflasche, die ausschließlich für die Cockpitversorgung bereitsteht.

Ist der Druck in der Kabine soweit abgesunken, dass er einer Höhe von etwa 4300 Meter entspricht, fallen in der Passagierkabine automatisch Sauerstoffmasken heraus, bei einer stationären Anlage (mit Sauerstoffflaschen) aus der Kabinendecke, bei einer dezentralen Anlage (mit Gasgeneratoren) meist aus der Rückenlehne des Vordersitzes.

Während die Cockpitcrew durch ihre Masken reinen Sauerstoff einatmen kann, ist die Luft beim Atmen durch eine Passagiersauerstoffmaske ein Gemisch von Sauerstoff und Umgebungsluft, weshalb sie als Schutz gegen Qualm nicht eingesetzt wird.

Bei dem höchstens zehn Minuten dauernden schnellen Sinkflug nimmt das Flugzeug keine für die Passagiere bedrohende Lage ein. Die Nase des Flugzeugs senkt sich nicht so weit, wie vom Passagier angenommen.

Der Sinkflug führt auf 3000 Meter (10000ft). In dieser Höhe ist der Gebrauch von Sauerstoffmasken nicht mehr erforderlich. Die Passagiermasken würden nach 20 Minuten ohnehin den Dienst quittieren.

Nach dieser Phase des Fluges dürfte ein Ausweichflughafen in der Nähe das Ziel sein.

Typische Reiseflughöhen für Verkehrsflugzeuge sind 9500 bis 11900 Meter (31000 bis 39000ft = Flugfläche 310 bis 390). Möglich ist auch darüber und darunter. Bei Standardwetter herrscht ab(!) der Höhe von 10700 Meter („FL350“) eine Außentemperatur von -56° C.

Lesen Sie aus dem Buch "Warum sie oben bleiben" das Kapitel "Der Kabinendruck wird abgesenkt".

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Wie ist das denn nun mit den Fenstern?
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Unfall Air France, Flug AF358, am 02. August 2005

Am 02. August 2005 überrollte ein Airbus A340 (Version A340-313, Kennzeichen F-GLZQ) der Air France aus Paris-Charles de Gaulle kommend nach der Landung in Toronto das Ende der Bahn. Alle 309 Insassen wurden gerettet. Das Flugzeug wurde durch das anschließende Feuer zerstört.

Technische Details: Flug AF358, CDG - YYZ, benutzte Landebahn 24L (2743 m), tatsächlicher Seitenwind bei der Landung 23 kts (43 km/h), Wetter: starker Regen in Gewitternähe.

Der technische Hintergrund
Die Landung eines Verkehrsflugzeugs

© Jürgen Heermann

Führt der Pilot sein kleines Sportflugzeug durch einen Blick auf die Landschaft (fliegen nach „Sichtflugregeln“), so wird ein Verkehrsflugzeug in der Regel mit Hilfe von Navigationsinstrumenten geführt (fliegen nach „Instrumentenflugregeln“). Soll das Flugzeug auf eine Landebahn geführt werden, bedient man sich im Allgemeinen eines Instrumenten-Lande-Systems. Dies besteht aus mehreren Navigationssendern, die in Landebahnnähe und seiner Umgebung stehen. Jeder Sender hat eine spezifische Aufgabe, die von einem entsprechend ausgerüsteten Flugzeug empfangen werden können. Diese Flugführungsdaten werden im Cockpit sichtbar gemacht. Mit dieser Darstellung kann die Cockpitbesatzung das Flugzeug manuell steuern oder den eingeschalteten Autopilot kontrollieren.

Der abfallende Gleitpfad, auf dem sich das Flugzeug der Landebahn nähert, hat allgemein einen Winkel von 3 Grad (so auch in Toronto). Übersetzt für uns Autofahrer sind das etwa 5 % Gefälle. Überfliegt das Flugzeug die Landebahnschwelle („threshold“), so hat es noch 50 ft (15m) Höhe. 1000 ft (300 m) weiter setzt das Flugzeug zuerst mit den hinten liegenden Hauptfahrwerken auf.

Noch während die graue Gummiwolke das Anlaufen der Räder begleitet, kann die Bremsung automatisch oder manuell beginnen. Mit dem Aufsetzen der Hauptfahrwerksräder klappen automatisch große Bremsflächen oben aus der Tragfläche heraus. Diese so genannten „Spoiler“ vergrößern den Luftwiderstand und verringern den Auftrieb.

Werden jetzt die immer nur manuell betätigten Schubumkehrer aufgefahren, bremsen diese zusätzlich das Flugzeug. Ist die Oberfläche der Bahn trocken oder nur nass, so haben die Radbremsen den größten Anteil am Bremsvermögen des Flugzeugs, werden aber bei Unterschreiten einer bestimmten Geschwindigkeit zurückgenommen.

Sind alle drei Bremsmittel aktiviert, setzt meist erst jetzt das nur selten mit einer Bremse ausgerüstete Bugfahrwerk auf.

Das Flugzeug wird zunächst über Pedale mit Hilfe des Seitenruder „gelenkt“ und so in der Mitte der Bahn gehalten. Mit abnehmender Geschwindigkeit lässt die Wirkung des Seitenruders nach und die ebenfalls über dieselben Pedale betätigte Bugfahrwerkssteuerung wird jetzt zur Lenkung.

Diese Pedale sind es auch, mit deren Hilfe der Flugzeugführer durch Niederdrücken seiner Fußspitzen die Radbremsen betätigt.

Hat das Flugzeug eine entsprechend niedrige Geschwindigkeit erreicht („taxispeed“), wird am nächsten Abrollweg die Landebahn verlassen.

Wie ein Flugzeug landet lesen Sie ausführlich im Buch "Warum sie oben bleiben"

Unter "Fragen und Antworten FAQ" lesen Sie auch dies:
Wie findet ein Flugzeug Amerika?
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Wie bremst ein Flugzeug nach der Landung?
Wie fliegt ein großes Verkehrsflugzeug?
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Unfall Fokker 70, Flug OS111, Austrian Airlines, OE-LFO, 05. Januar 2004

Am 5. Januar 2004 um 08:17 Uhr machte eine Fokker 70 der österreichischen Fluggesellschaft AUA, Flugnummer OS111, Registrierung OE-LFO, etwa 4,5 km vor dem Flughafen München wegen Leistungsverlust an beiden Triebwerken eine Außenlandung auf einem schneebedeckten Feld. Das Flugzeug befand sich auf einem Linienflug von Wien-Schwechat International Airport zum München-Franz Josef Strauss Airport (VIE-MUC). Zur Zeit der Notlandung herrschte diesiges Wetter mit Temperaturen um 0°C. Den ersten Informationen zufolge könnte Eis eine mögliche Ursache für den Leistungsverlust der Triebwerke sein. Die so genannten "Ice Impact Trays" sollen versagt haben.

Der technische Hintergrund
Eisverhütung bei Verkehrsflugzeugen

© Jürgen Heermann

Der Winter erfordert nicht nur das Streuen vorm Haus. Auch Flugzeuge verlangen Hilfen, um durch den Winter zu kommen. Und die nicht knapp! Und obendrein müssen sie genau dann zur Stelle sein, wenn sie erforderlich sind. Tragflächen- und Triebwerksvereisungen gehören zu den heikelsten Winteranhängsel eines gewöhnlichen Jetflugzeugs. Die entsprechenden technischen Vorrichtungen sind allesamt keine Enteisungsanlagen, sondern Eisverhütungsanlagen. Der Name deutet schon auf die Brisanz. Wäre erst einmal Eis da, mehr als eine akademische Menge, läge im sonst intakten Betrieb bereits ein Arbeitsfehler vor. Die Enteisungsanlagen (engine anti-ice or wing anti-ice systems) hätten dann bereits eingeschaltet sein müssen. Hier sieht man, wie schwer es ist, irgendwelche Automatisation in ein Flugzeug einzubauen. Üblich ist es, dass die Cockpitcrew mit Hilfe ihrer Professionalität erkennt, ob eine oder beide Anlagen eingeschaltet werden müssen. Die Kriterien sind vielfältig. Der Blick vom Cockpit auf Tragfläche oder Triebwerk ist bei den meisten Jetflugzeugen nicht möglich. Er wäre auch, entgegen der verständlichen Laienvorstellung, nicht das geeignete Mittel. Immerhin ist die Sicht nicht immer optimal und das Eis kann glasklar sein. Moderne Flugzeuge, so auch die Fokker 70, haben einen meist an der Tragfläche befindlichen Eisfühler, der im Cockpit eine entsprechende Warnung anzeigt. Er entbindet die Crew aber nicht, andere Kriterien mit heran zu ziehen, beziehungsweise zu beobachten. So kann schon eine, wenn auch seltene, entsprechende Wettervorhersage zum Einschalten der Eisverhütungsanlagen führen. Meistens genügt es, nur die Anlagen der Triebwerke einzuschalten. Erst in besonders schweren Fällen wird auch die Anlage für die Tragflächen eingeschaltet. Dabei strömt warme Luft (bis etwa 250 °C) unter dem Blech der Tragflächenvorderkanten oder der Einlauftrichter der Triebwerke hindurch. Weniger häufig sind Flugzeuge, bei denen die Höhenruderflosse (stabilizer) oder, falls überhaupt vorhanden, die von vorne gesehenen als erstes im Triebwerk angeordneten sich nicht drehenden „inlet guide vans“ enteist werden.

Herrschen beim Start Temperaturen von zehn oder gar fünfzehn Grad Celsius über Null, so muss man unter Hinzuziehung anderer Kriterien, wie zum Beispiel der relativen Luftfeuchtigkeit, beim Start bereits mit Eisansatz rechnen und die Eisverhütung einschalten. Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass bei entsprechender Wetterlage das etwaige Enteisen eines Flugzeugs und das Schützen vor Eisansatz zu den wichtigen Vorbereitungen eines Starts gehören. Im Flug ist die Temperatur, verbunden mit Fliegen durch Wolken, ein wesentliches Kriterium, die Anlage ein- oder auszuschalten. Es mag altmodisch erscheinen, aber es gibt Jetflugzeuge bei denen der Blick auf das Ende der Drehachse (nachts mit der Taschenlampe) einer der beiden Scheibenwischer ein hervorragendes Indiz ist, ob mit einem Eisansatz an den Tragflächen zu rechnen ist. Verlängert sich die Achse durch Eisansatz, so ist das einer von mehreren Hinweisen: „Wing anti-ice ON!“

Arbeiten im Cockpit heißt, alles in Frage stellen. Ist es soweit, „engine anti-ice“ einzuschalten, so werden für jedes Triebwerk ein Kipp- oder Druckschalter betätigt. Der Arbeitsvorgang ist erst dann abgeschlossen, wenn eine Rückmeldung erfolgt, die zeigt: Enteisung in Betrieb!. Dazu wäre nicht genügend, wenn ein elektrisch betriebenes Ventil – manchmal auch zwei parallel - ganz geöffnet hat. Es könnte ja die nötige Druckluft fehlen. Es sei denn, das Ventil wird, wie bei vielen Verkehrsflugzeugen, mit eben dieser Druckluft in seine Offenposition gedrückt.

Meine Vorschrift als Flugingenieur auf der Boeing B747-200 besagte, dass ich vorm Einschalten von „engine anti-ice“ zuerst die Zündung einzuschalten habe. Nachdem die vier Rückmeldungen erfolgten (vier Triebwerke), hatte ich eine kleine angemessene Zeit zu warten, um dann die Zündung wieder auszuschalten. Der Grund ist eine Vorsichtsmassnahme. Sollte wirklich bereits ein Eisansatz vorhanden gewesen sein, so schmilzt er ab und könnte die Strömung im Kompressor kurzzeitig so stark stören, dass die Flamme in der Brennkammer verlöscht – wären da nicht die im kurzen Takt blitzenden Zündkerzen. Übrigens, sie geben weitaus mehr Energie ab, als eine Autozündkerze.

Funktioniert die Eisverhütung nicht, muss das Gebiet sofort verlassen oder der Motor stillgelegt werden. Anderenfalls können größere Eisstücke das Triebwerk beschädigen.

Die hier beschriebenen Zusammenhänge sollen kein Vorgriff auf die Unfallursache darstellen. Die beiden Piloten im Cockpit der notgelandeten Fokker 70 müssen in der Zeit nach dem fatalen Schubverlust eine hervorragende Zusammenarbeit geleistet haben, ohne die eine Außenlandung nicht erfolgreich sein kann. Mein Respekt! Das notwendige unumgängliche Zusammenspiel von Mensch und Maschine nennt sich CRM (crew resource management). Eine Fähigkeit, die seit vielen Jahren zum regelmäßigen Pflichtfach gut ausgebildeter Piloten und Flugingenieure gehört. - Neu ist, dass auch Lokomotivführer ("Triebfahrzeugführer")  der Deutsche Bahn darin unterrichtet werden.

Ausführliche Erläuterungen finden Sie im Buch "Warum sie oben bleiben"

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Wie funktioniert ein Strahltriebwerk?
Warum haben Flugzeuge so unterschiedlich viele Motoren?
Welchen Vorteil haben Jetflugzeuge gegenüber Flugzeugen mit Propellerantrieb?
Wie alt wird ein Flugzeug?


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Unfall Concorde, Flug AF 4590, F-BTSC, 26. Juli 2000


Am 26. Juli 2000 stürzte eine Concorde der Air France, Flugnummer AF 4590, Kennzeichen F-BTSC, kurz nach dem Start in Paris ab. Der Absturz war nicht überlebbar. Die ersten Ermittlungen ergaben, dass das Flugzeug bereits auf der Startbahn einen Triebwerksausfall hatte. Die ersten Auswertungen der Flugschreiber ergaben, dass auch ein zweites Triebwerk nicht den notwendigen Schub lieferte. Zusätzlich soll das Fahrwerk nicht vollständig eingefahren sein und es wurden Reifenteile auf der Startbahn gefunden.

Der technische Hintergrund
Triebwerksausfall beim Start

© Jürgen Heermann

Foto: Jürgen Heermann - 1972 ein gefeiertes Flugzeug

Kein Verkehrsflugzeug stürzt ab, nur weil ein Triebwerk ausfällt. Jeder Start wird vorher präzise berechnet. In diese Rechnung gehen als wichtigste Größen das Gewicht des Flugzeugs, die Startbahnlänge, ihre Beschaffenheit und ihre Neigung, die Lufttemperatur und der Luftdruck ein. Dabei wird immer unterstellt, dass im kritischsten Moment ein Triebwerk ausfällt. Das heißt, das im Normalfall ein viermotoriges Flugzeug mit 33 Prozent Schubüberschuss, ein zweimotoriges dagegen mit 100 Prozent Überschuss startet.

Da niemand mit einem bereits defekten Triebwerk losrollt, muss dieser Fall auch nicht berücksichtigt werden. Von mehreren berechneten und wichtigen Geschwindigkeiten ist einer der Wert, bei dem die Starterlaubnis zur Startpflicht wird. Erreicht das Flugzeug noch beim Rollen diese Geschwindigkeit, wird sie von einem Piloten mit dem Wort "Go" ausgerufen. Fällt später ein Triebwerk aus, und sei es unmittelbar danach, muss der Start fortgesetzt werden. Mit dem verbleibenden Schub erreicht das Flugzeug am Ende der Startbahn eine ausreichende Sicherheitshöhe. Im Weiteren schreibt die Berechnung vor, dass das Flugzeug auch vorausliegende Hindernisse, wie Berge, Türme oder auch Schiffe im nahegelegenen Hafen mit einem vorgeschriebenen Sicherheitsabstand überfliegen muss. 

War diese Beschreibung der sogenannte "Go"-Fall, gibt es noch den "Stop"-Fall. Fällt vor Erreichen der auszurufenden "Go"-Geschwindigkeit ein Motor aus, und sei es unmittelbar davor, wird der Start sofort abgebrochen. Jetzt muss die verbleibende Bahnlänge ausreichen, um das Flugzeug vor ihrem Ende zum Stehen zu bringen.

Sind die Berechnungsbedingungen für den "Go"- und den "Stop"-Fall nicht erfüllbar, darf ein Verkehrsflugzeug nicht starten.

Ein Motorausfall kommt äußerst selten vor und ist dennoch von seiner Handhabung für die Besatzung Alltag. Dieser, wie eine große Anzahl anderer Abnormalitäten, sind hinreichend im Simulator geübt worden.

Ist das Flugzeug leicht oder hat es eine entsprechende Flughöhe erreicht, ist bei einem drei- und viermotorigem Flugzeug auch der Ausfall zweier Motoren beherrschbar. Auch dieser Fehler ist im Simulator oft geübt worden und stellt die Besatzung vor keine besonders schwierigen Aufgaben.

Jürgen Heermann schrieb in einem Artikel des Darmstädter Echo am 27. Juli 2000, ein Tag nach dem Unfall: "Ich kann mir nur vorstellen, dass es eine große Kraftstoffleckage war, die zum Feuer in dem Triebwerk der Concorde geführt hat. Zum Beispiel ein Loch im Tank oder eine offene Kraftstoffleitung. Dieses vermutete Leck ist möglicherweise eine Folge des defekten Motors".

Lesen Sie Die Concorde - eine große technische Faszination und sehen Sie, wie die Concorde F-BVFB auf ihrem Weg ins Technik-Museum Sinsheim zu ihrer letzten Landung ansetzt auf dem Baden-Airpark bei Karlsruhe.

Ausführliche Erläuterungen finden Sie im Buch "Warum sie oben bleiben"

Unter "Fragen und Antworten FAQ" lesen Sie auch dies:
Wie startet ein Flugzeug?
Wie funktioniert ein Strahltriebwerk?
Wie alt wird ein Flugzeug?
Wie ist das denn nun mit dem Flugschreiber?


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Unfall Hapag Lloyd, Flug 3378, D-AHLB, 12. Juli 2000


Am 12. Juli 2000 machte ein Airbus A310 der Hapag Lloyd, Flugnummer 3378, Kennzeichen D-AHLB auf dem Weg von der Insel Kreta nach Hannover eine Notlandung in Wien. Es gab Verletzte. Das Flugzeug wurde beschädigt. Das linke Hauptfahrwerk und ein Teil der linken Tragfläche rissen ab.


Der technische Hintergrund
Kraftstoffkontrolle im Flug

© Jürgen Heermann

Foto: D-AHLB. Vergrößerung durch Klick auf Bild (19KB).

A310 D-AHLBDer Airbus A310 war auf einem planmäßigen Flug von Kreta nach Hannover. Nach dem Start ließen sich die Fahrwerke oder Teile der Fahrwerke nicht einfahren. Ein solcher Fehler stellt die Besatzung nicht vor schwierige Probleme, weil er im Simulator hinreichend oft geprobt wurde. Ein noch ausgefahrenes Fahrwerk bedarf nur einer ordnungsgemäßen Landung. Wenn jetzt die Flugzeugführer bei sonst äußerst genauer Kraftstoffplanung zunächst nur überschlägig die zur allgemeinen Fachkenntnis gehörende konservative Annahme treffen würden, dass das Flugzeug von nun an doppelt soviel verbraucht, wie ursprünglich geplant, wäre damit automatisch entschieden, dass mit dem üblichen Kraftstoffvorrat höchstens die halbe Strecke zurückgelegt werden könne. In der Praxis würde man sich aber für ein wesentlich näheres Ziel entscheiden. Das kann grundsätzlich auch der Startflughafen sein. Ist er aus vielerlei Gründen nicht optimal und befindet sich ein den Umständen entsprechender besserer Flughafen in der Nähe, so würde man diesen nehmen. Gestartet ist der A310 in Chania. Der nächste große Flughafen wäre Athen, eine halbe Flugstunde entfernt.

Foto: FMS. Vergrößerung durch Klick aufs Bild (22KB).

fmsausschnitt.jpg (38274 Byte)Der Airbus A310 ist ein modernes Zweimanncockpit. Es besteht aus zwei Flugzeugführern, einem Kapitän und einem Copiloten. Zur Arbeitsvereinfachung gegenüber einem Cockpit mit Flugingenieur (Dreimanncockpit) gehören Computer, wie auch das sogenannte FMS (Flight Management System). Mit seiner Hilfe wird die Überprüfung von Flugzeit und Kraftstoffverbrauch während des Fluges durchgeführt. Sein Bedienpult ähnelt dem eines großen Taschenrechners. Auf ihm erscheint unter anderem der Mehr- und Minderverbrauch an Kraftstoff gegenüber dem Flugplan. Das FMS gibt auch eine Prognose, wie weit der verbleibende Kraftstoff noch reicht. Dazu legt das Gerät nicht den bisher ausgerechneten Kraftstoffvorrat zu Grunde, sondern den tatsächlich noch in den Tanks sich befindlichen. Auf diese Weise werden Toleranzen bei der Berechnung der zurückliegenden Strecke kompensiert.

Bleibt das Fahrwerk ausgefahren, wird der erhöhte Kraftstoffverbrauch von dem FMS nicht berücksichtigt. Seine Prognose für die noch verfügbare Flugstrecke ist falsch. Hinzu kommt, dass das FMS eine immer kürzer werdende Flugstrecke ausrechnet, weil seine Prognose ja dauernd durch die schneller abnehmende Tankmenge korrigiert wird.

Die automatischen Warnungen im Cockpit meldeten bei einer Restmenge von 1600 Liter, dass die letzte Notreserve unterschritten wurde. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Flugzeug ca. 40 Meilen querab von Zagreb in einer Höhe von 25.500 Fuß. Dennoch wurde der Entschluss Wien anzufliegen aufrecht erhalten, obwohl die Restdistanz dorthin 120 Meilen betrug.

Der Unfall ist sehr bedauerlich. Er fügt der Branche einen großen Schaden zu. Es wird der Sache nicht gerecht, wenn von einem äußerst seltenen Fehlverhalten einer einzelnen Cockpitcrew auf die ganze Fliegerei geschlossen wird.

Mehr über Kraftstoffberechnung und -kontrolle finden Sie im Buch "Warum sie oben bleiben"

Unter "Fragen und Antworten FAQ" lesen Sie auch dies:
Wie ist das denn nun mit dem Kraftstoffverbrauch?
Wird immer vollgetankt?
Was tankt eigentlich ein Jetflugzeug?

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