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Endlich
mal ein Fehler, nach dem Sie die Uhr stellen können
von Jürgen Heermann
Gewiefte
Pferdehändler sollen ihren Rössern gerne eine ordentliche Portion
Ingwer verabreichen. Man sagt, das bringe selbst den müdesten Gaul
dazu, seinen Schweif hochzuhalten. Unter Kennern ein Zeichen von
Feuer und Jugend. Bei Tieren kommt es von innen heraus, bei Autos
schreibt man es oben drauf. Der Schriftzug am Heck nennt
Einzelheiten, die andernfalls für immer verborgen bleiben. Mit
"Intercooler" oder gar der Anzahl von Ventilen wird Kraft
und Solidität vermittelt.
Sucht ein Hersteller sein Glück im
Innenleben seines Produktes, so ist der Erfolg fraglich. Schon vor
Jahren ergab eine Umfrage, dass laute Staubsauger gleichbedeutend
mit Saugkraft gesetzt werden. Wozu dann der technische Aufwand einer
Schallisolierung? Kürzlich sagte man mir in einem Fachgeschäft,
dass Handmixer fast ausnahmslos nach dem von ihnen verursachten Lärm
gekauft werden. Was laut ist, muss auch kräftig sein.
Hat ein
Flugzeughersteller schon immer Riesensummen aufgewendet, um bei der
Sicherheit seines Luftfahrzeugs in der ersten Reihe zu sitzen, gilt
dieser Vorteil nur so lange, bis jemand Angst hat. Gute Produkte
haben nur Erfolg, wenn man an sie glaubt. Da hat es keinen Sinn, die
Apparaturen noch sicherer zu machen, solange man die Ängste nicht
nimmt. Sie sind schließlich eine Vision und nicht die Kenntnis der
Dinge. Darüber hinaus werden die Gefahrenquellen umso riskanter
eingeschätzt, je weniger man mit ihnen vertraut ist.
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Wer hat nicht
als Passagier beim Start den scheinbar routinierten Nebenmann
beobachtet, der gerade im Moment der mehr und mehr dahinfliegenden
Landschaft einen so packenden Artikel aus dem Wirtschaftsteil
verschlingt, dass ihm jeder am Ende des Artikels seine Überraschung
über das dann schon fliegende Flugzeug abnehmen wird. Vielleicht
ist das der gleiche Mensch, der mit Karacho in den Bioladen fährt,
gesunde Kost zu kaufen. Dabei fühlt er sich sicher, weiß aber,
dass alle acht bis zehn Jahre ein Autofahrer in einen Unfall
verwickelt wird. Er weiß, dass bei 200 Kilometer pro Stunde die
Zeit zu reagieren (55 Meter in einer Sekunde) genau so lang ist, wie
bei 80 Kilometer pro Stunde diese Reaktionszeit und der Bremsweg
zusammen. Das hat gelegentlich knallharte Auswirkungen.
Als Besitzer
eines häuslich störrischen PC ("personal computer") glaubt er außerdem,
dass solcherart Dinge auch in Flugzeuge eingebaut werden. Weit
gefehlt. Was nicht den ungefederten Ritt quer durch die sengende Wüste
aushält, kommt für den Einbau schon gar nicht in die engere Wahl.
Und in der Fliegerei wird zweimal geritten, weil kein Flugzeug von
nur einem Computer gesteuert wird. Grundsätzlich laufen zwei
Computer parallel. Das Programm des einen Computers hat die
Softwareabteilung im ersten Stock geschrieben, das des anderen die
im Parterre. Abgucken war verboten. In den Computern ist die eine
CPU (das Herzstück) von der Firma Pintel und die andere von
Plomporola (oder wie war ihr Name?).
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Dass beide Computer an derselben Stelle ausfallen können,
was höchst unwahrscheinlich ist, wird in Kauf genommen. Doch es wäre
falsch zu glauben, dadurch im Flugzeug einem besonderen Risiko
ausgesetzt zu sein. Das lebensnotwendige Teil an der Vorderradaufhängung
Ihres schnellen Autos hat ebenfalls eine berechnete
Ausfallwahrscheinlichkeit. Vorhanden ist es aber nur einfach
(Prinzip "safe life"), nicht doppelt ("fail safe",
das bessere Prinzip). Ein Sicherheitspilot schrieb einmal:
"Absolute Sicherheit gibt es nur im Tode. Sicherheit in unserem
Leben kann immer nur ein Grad der Wahrscheinlichkeit von
Schadensfreiheit sein."
Eine solch schroffe Aussage fordert von
uns besondere Aufmerksamkeit und damit das Überdenken einer
schnellen Fahrt zum Reformhaus. Könnten wir die täglich auf uns
einwirkenden Gefahren so egalisieren, wie die gleichmäßig hohe
Ausfallwahrscheinlichkeit aller wichtigen Flugzeugteile, würden wir
das Wort Lebensversicherung nur aus dem Duden kennen. Und ist es
noch so klein, ein spannendes Restrisiko bleibt. Irgendwann stolpert
jeder. Aber wann?
Leider kann man zu solch einem Ereignis keinen
Menschen einladen. Oder doch? Silvesternacht sollen alle Uhren rückwärts
laufen. Endlich mal ein Fehler, nach dem Sie die Uhr stellen können.
Da sie bis dahin ordnungsgemäß läuft, können Sie zu dem Ereignis
Einladungen versenden. Vorsichtige Gastgeber vermerken aber, dass
diese nur einmal gelten. Mag solche Vorsicht auch etwas übertrieben
wirken, so wird es sicherlich Situationen geben, wo eine Uhr den
Gang der Dinge beeinflusst und auf Gottes Erdboden einfach das Licht
ausschaltet.
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Geschieht so etwas geografisch gesehen hinten links,
kann das eine Flugzeugbesatzung irritieren. Hierbei lauert nicht die
Gefahr, sondern die Frage, was macht es für einen Eindruck bei den
Passagieren, wenn auf einem Platz gelandet wird, den auszusprechen
niemand in der Lage ist. Ich allerdings würde mich freuen, wegen
der zusätzlichen Nadel in meiner großen Weltkarte.
Allerdings, nur
zu diesem Zweck einen Silvesterflug zu nehmen, ist so wenig
erfolgreich, wie das Finden der gleichen Nadel in dem bekannten
Haufen. Wenn einfache Samsonite Koffer zum Qualitätstest im gefüllten
Zustand 15000 Meter zurücklegen, ihre Schlösser 7500 mal geöffnet
werden (das entspricht 3750 Reisen) und die ganze Angelegenheit 5000
mal am Griff hochgehoben wird, dann
kann man sich getrost zurücklehnen und unterstellen, dass die
Hersteller unserer Unterschallflugzeuge mit Strahlantrieb
(offizielle Bezeichnung) mit noch mehr Aufwand prüften als die
ohnehin schon riesige Summe von 80 Millionen Mark, die allein
Lufthansa dafür ausgab.
Auf diese Summe sollten wir draufsatteln.
Kaufen Sie die Milka Millennium Edition, eine Tafel Schokolade mit
dem Gewicht - wie sollte es anders sein - von 2000 Gramm. Mit der
Energie dieser Tafel Schokolade fliegt ein Jumbo, die Boeing 747, im
Reiseflug 80 Meter weit.
Prost! |
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